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''Kleine' Communities einladen'

Luan Pertl im Interview mit dem neuen hms Vorstandsmitglied Tomka Weiß


Tomka Weiß ist bildender Künstler und Grafiker, Ausstellungsmacher, trans* Aktivist, Mitbegründer verschiedener Künstler_innen-Kollektive und mit Alex Giegold zusammen das Duo der Installationskunst Giegold & Weiß. Weiß ist im Vorstand der hms seit 2022.

 

Luan: Hi Tomka, ich freu mich sehr, dass du letztes Jahr Teil des hms Vorstandes geworden bist. Warum und wie bist du zur hms gekommen bzw. dabei?

 

Tomka: (lacht) Da gab es diese Person, Luan Pertl, mit welcher ich die Ausstellung "Mercury Rising – Inter* Hermstory[ies] Now and Then" im Schwulen Museum Berlin kuratiert habe, und dann, ein Jahr später, kam diese Anfrage von dir. Aber ich war auch lange mit Josch Hoenes befreundet, welcher ja auch viele Jahre im hms Vorstand war. Durch die Verbindung zu Josch habe ich immer wieder über die hms gehört. Auf eine gewisse Art und Weise begebe ich mich heute mit meiner Arbeit bei der hms auch auf die Spuren von Josch.

 

Luan: Das finde ich sehr schön, es ist so wichtig Menschen, die viel zu früh von uns gegangen sind, weiterhin einen Platz in der Gegenwart zu geben. Es fällt mir gerade schwer, die nächste Frage zu stellen, mache es aber trotzdem mal. Welche eigenen aktivistischen Schwerpunkte hast du innerhalb der LGBTIQ+ Community?

 

Tomka: Queere Kunst ist das Hauptfeld, in dem ich mich bewege.

Ich bin trans* Aktivist und bin transmaskulin positioniert.

In verschiedenen Projekten, vor allem mit "Giegold & Weiß" haben wir partizipative, prozessorientierte künstlerische Formate entwickelt. Zum Beispiel resultiert die Wrestling-Show „FtM vs HIV- medical lubewrestling“ aus Konfrontationen mit der Tatsache, dass trans* Gesundheitsversorgung und -forschung nicht adäquat existiert. Giegold & Weiß inszenierten ein Wrestling Match innerhalb einer medizinischen Praxis. Wrestling Charactere wie "Chlamydia", "PreP", "Transition" oder "Stigma" verhandelten ihre Allianzen und Feindschaften auf den Matten. Der gesamte divers zusammengestellte Cast – von Performenden bis Kinderbetreuung – schrieb und diskutierte die Charaktere und ihre komplexen Beziehungen zueinander.

Gerade innerhalb der Kunst ist die aktivistische Praxis, verschiedenen Stimmen zu gesellschaftspolitischen Themen Gehör zu verschaffen, wichtig. Mich interessiert, wie unser Community-Wissen erfahren, ausgetauscht, weitergegeben, gebündelt, genutzt, gefördert werden kann.

In dem Sinne liegen mir auch Archive am Herzen. Mit verschiedenen Künstler_innen und Aktivist_innen – das sind u.a. Thao Ho, Luan Pertl, Frede Macioszek und Tarek Shukrallah – und dem Schwulen Museum Berlin arbeiten wir jeweils daran, trans*, inter* und BIPOC-Archive in all ihren Intersektionalitäten innerhalb des SMU-Archivs zu konzipieren. Uns verbindet ein gesteigertes politisches Interesse, die vielen unauffindbar und damit unsichtbar eingelagerten Objekte zugänglich zu machen und durch neue zu vervollständigen. Der ursprüngliche Sammlungsfokus ist weiß, cis, schwul, dyadisch, und muss erweitert werden.

In der Kunst, in Archiven und auch sonst stellt sich die Frage: Wie kann man mit bestimmten Bildern von Menschen oder auch der Abwesenheit von Bildern umgehen? Visualität hat eine große Machtwirkung, deshalb ist es mir auch bei Ausstellungen ein Anliegen, dass eine kritische Bildpolitik zum Status quo wird! Z.B. Ausstellungen mit trans* Thematik werden oftmals nur von cis-Menschen kuratiert, da sinkt dann natürlich auch das Niveau dessen, was die Ausstellung zu verhandeln im Stande ist.

 

Luan: Ja, da hast du absolut recht, ich kann da auch so manches Lied von singen.

Um nun ein bisschen in das Arbeitsfeld der hms zu gehen, was sind deine Hauptanliegen in der Förderlandschaft der hms?

 

Tomka: Ich denke ein wichtiger Punkt ist, die Hürden der Antragsstellung klein zu halten und damit nicht einfach mehr, sondern anderen Menschen den Zugang zu ermöglichen. Oftmals sehen kleinere Communities sich nicht eingeladen, und um diese mithin einzuholen, wären eben explizite Einladungen eine gute Möglichkeit. Man muss die verschiedenen Hintergründe und Selbstverständlichkeiten betrachten. Wenn man gewöhnt ist, seinen Aktivismus DIY (do it yourself) und ohne Budget zu machen, oder gewöhnt ist, mit dem eigenen Pass hier nur geduldet zu sein und meist nicht für Gelder berechtigt ist, nicht förderwürdig ist, wird man nicht das Selbstverständnis haben, gemeinsam mit einem Verein einen Förderantrag zu stellen. Doch tatsächlich arbeitet die hms ja genau auf der Ebene von kleinen Projekten, dies muss einfach nur noch sichtbarer werden.

 

Luan: Da leitest du gerade schön über in meine nächste Frage. So wie du gerade erwähnt hast, ist die hms ja eine „Kleinbetrags“ Förderstiftung. Denkst du, kleine Förderungen sind genauso hilfreich für Vereine wie die großen, die es von der Stadt oder dem Land gibt?

 

Tomka: Absolut, sie sind anders wichtig. Gerade für DIY-Projekte sind kleine Förderungen der erste Schritt sich zu stabilisieren, bzw. auch das System Förderlandschaften kennen zu lernen. Um eine 80 TEUR-Förderung abwickeln zu können, braucht man ja auch erstmal Wissen und Strukturen, somit sind kleine Förderungen genau für diese Projekte ein sehr wichtiger Faktor, um dieses Wissen kreieren zu können und natürlich auch um tolle Projekte gestalten zu können. Die hms ist eine Community-nahe Stiftung. Die Menschen darin haben Erfahrung und kennen auch die unterschiedlichen Generationen von Aktivismus. Die hms hat sich vorgenommen, den nächsten Schritt an Generationswechsel aufzunehmen, mitzugehen und durchzuführen, somit bewegen sie sich auch mit und innerhalb der Veränderung der LGBTIQ+ Communities.

 

Luan: Wenn wir uns die große internationale Förderlandschaft ansehen, sind ja die Förderungen an TIN-Vereine, Projekte, noch immer am niedrigsten. Was denkst du wäre wichtig zu ändern, damit die Fördergelder gleichmäßiger aufgeteilt werden können? Oder ist dies überhaupt wichtig?

 

Tomka: Ich bin deprimiert über die Aufteilung von Armut und Reichtum innerhalb der LGBTIQ+ Landschaft generell. Wie überall sind leider auch bei uns bestimmte Strukturen wirkmächtig und steuern, wo das Geld landet. Bedingungen sind die Sprache, die geschlechtliche Positionierung, Erfahrungen von Rassismus, Unfähigkeit von Arbeitsplätzen sich auf Behinderungen einzustellen, die Anerkennung der Ausbildung im Ausland, Traumata verschiedenster Art, mit denen einige Communities sich herumschlagen während andere schon in der Mittagspause beim Kuchenkaiser sitzen. Nichts gegen Kuchen. Im Gegenteil! Grundsicherung und Kuchen für alle! Die Verteilung von Geld und Ressourcen ist eine sehr große Frage.

Ich finde es essenziell, dass Fördergelder anders aufgeteilt werden. Ob das bei der Menge der Fördergelder insgesamt „gerecht“ sein kann, ist fraglich und das an sich ist absolut nicht in Ordnung.

Trotzdem ist es wichtig, jetzt erstmal die zu fördern, die Bildung mit viel zu wenig Fördergeldern und selbstausbeuterischen Aktivismus betreiben. Und da auch Wertschätzung und ein (Selbst-)bewusstsein zu schaffen, was möglich und wichtig ist. 

Für LGBTIQ+ Stellen - auch in Führungspositionen - muss maßgebliches Kriterium sein, in verschiedener Hinsicht diverser einzustellen. Das Self-Cloning, was da passiert, setzt sich sonst auch in die Förderlandschaft fort, denn wenn man eine Stelle hat, bietet diese natürlich Ressourcen, Förderanträge für Projekte zu stellen.

In der Förderlandschaft könnte ein Kriterium sein, LGBTIQ+ Förderungen nach sorgfältig ausgedachten Prozentsätzen zu verteilen. [lacht] Oh je! Ich kann mir den zähen gemeinsamen Prozess, in dem die Prozentsätze ausgehandelt werden, schon vorstellen.

 

Luan: Ja, Tomka da hast du absolut recht - Funding prozentuell gerechter aufteilen wäre ein guter Schritt. Zum Abschluss unseres Interviews habe ich eine kurze Frage für dich. Mit welchen drei Worten beschreibst Du die hms der Zukunft?

 

Tomka: Hm. Freundlich, solidarisch, divers, effektiv. Oh no, das waren vier Worte - welches fliegt raus?!

 

Luan: Hoffentlich einfach keins! Ich bedanke mich für das Interview und heiße dich herzlich willkommen bei der hms.



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